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Ärztliche Hilfe zur Selbsttötung -
Diskussionsbeitrag 2 zum Vorgenannten

Autor: Hans-Peter Meuser, Stand 27.04.2021

Mich erreichte gestern ein Diskussionsbeitrag mit dem Wunsch nach Entschleunigung und einer breiten Diskussion vor der Änderung der Musterberufsordnung. Ihn und meine Antwort stelle ich hier ein:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Jede der dargestellten Positionen kann ich nachvollziehen. Mein Problem dabei ist: es geht  mir alles zu schnell.

Wir stecken mitten in der dritten Welle der Covid-19-Pandemie, der Impfturbo in den Praxen ist angelaufen, die Intensivstationen füllen sich, es gibt eine Ausgangssperre und der Deutsche Ärztetag findet dank Corona an zwei Tagen virtuell statt. In diesem schmalen Zeitfenster soll eine hochkarätige Diskussion inklusive Beschlussfassung zum assistierten Suizid stattfinden, anschließend Änderung der Berufsordnung. Puh, ich muss sagen, damit fühle ich mich überfordert. Zumal die Regierungskoalition signalisiert hat, dass in dieser Legislatur eine Änderung des Sterbehilfegesetzes nicht mehr beschlossen wird.

Wir leben in einem Land, dass in puncto Sterbehilfe und der Frage nach dem „Freien Willen“ beim Suizid aus seiner jüngsten Geschichte heraus aufgefordert ist, mit diesen Themen besonders behutsam und politisch verantwortungsvoll umzugehen. Wir dürfen unsere Vergangenheit und auch die ärztliche Mitverantwortung bei vielen menschenverachtenden Taten in der Zeit des Nationalsozialismus nicht leugnen. Deswegen wünsche ich mir einen breiten innerärztlichen Diskurs zu dem Thema Assistierter Suizid, der alle ethisch-moralischen, religiösen und historischen Hintergründe beleuchtet. Damit ich mir eine fundierte Meinung bilden kann, um dann bei einem Präsenz-Ärztetag innerlich gefestigt in die Abstimmung zur Änderung der BO zu gehen. Der kurzfristig einberufene „Rheinische Ärztetag“ reicht mir dazu nicht aus.

Viele Grüße

 

Meine Antwort:

Lieber Herr Kollege,

vielen Dank für Ihren wichtigen Diskussionsbeitrag, der auf Entschleunigung zielt. Dank auch für Ihre Zustimmung, Ihre Mail mit meinem Kommentar auf die Homepage setzen zu dürfen.

Mir geht es überhaupt nicht zu schnell, sondern viel zu langsam.

Bereits 2011 hat der Deutsche Ärztetag – nach jahrelanger Diskussion in der Laienöffentlichkeit über die damalige Grauzone Hilfe zur Selbsttötung – die Einfügung des Satzes „Ärztinnen/Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ in die Musterberufsordnung beschlossen. Kurz darauf hat die Ärztekammer Nordrhein mit Mehrheitsbeschluss ihre eigene Berufsordnung auch um ebenjenen Satz ergänzt, nach engagierter Diskussion auch gegenteiliger Ansichten in der Kammerversammlung.

Fortan blieb den Betroffenen nur noch der Weg über gewerbliche Sterbehilfeorganisationen.

2015 hat der Bundestag dann die gewerbliche Sterbehilfe gesetzlich verboten. Im Ergebnis hätten Ärzte diese Hilfe zwar nach der Gesetzeslage leisten dürfen, nicht aber berufsrechtlich.

Klagen von Betroffenen und Ärzten gegen dieses Gesetz sind durch die Instanzen gegangen, bis endlich im Februar 2020 das Bundesverfassungsgericht durch Urteil die Nichtigkeit dieses Gesetzes festgestellt hat, weil es dem verfassungsmäßigen Recht der Bürger widerspricht, über ihr Ende selbst entscheiden und bei der Selbsttötung Hilfe von denjenigen beanspruchen zu können, die dazu bereit sind. Letztlich hat sich gezeigt, dass diejenigen, die 2011 gegen die Änderung der Berufsordnung votiert bzw. die Einfügung des relativierenden "grundsätzlich" gefordert hatten, fest auf dem Boden der Verfassung standen.   

Aktuell haben wir wieder die Situation von 2011 bis 2015: Ärzten ist die Hilfe berufsrechtlich verboten, während sie gewerblichen Sterbehilfevereinen – und auch Ärzten – gesetzlich erlaubt ist. Hilfswillige Ärzte müssen entscheiden, ob sie das berufsrechtliche Verbot ignorieren und das Risiko in Kauf nehmen, von ihrer Ärztekammer belangt zu werden und ggf. juristisch gegen Ahndungen vorgehen zu müssen. Das werden viele Ärzte zu vermeiden suchen, obwohl im Urteil des BVerfG bereits anklingt, dass das Verbot in der Berufsordnung ebenfalls der Verfassung widersprechen könnte.

Das Argument, es sei zu wenig Zeit für eine tiefgehende Diskussion, kann ich nicht gelten lassen: in der Gesellschaft wie in der Ärzteschaft läuft die Diskussion seit vielen Jahren. Jedem, der sich mit seinem Wunsch nach Hilfe zur Selbsttötung an einen Arzt wendet, der aber diesen Wunsch nur aufgrund des Berufsrechts ablehnt, wird aktuell sein verfassungsmäßiges Recht vorenthalten.

Mit Grundrechten ist es so eine Sache. Sie sind (auch) Minderheitenschutz, die auch von der Mehrheit zu beachten sind. 

Deshalb muss die Musterberufsordnung unverzüglich geändert werden. Dies unbeschadet dessen, dass die Politik die Hilfe zur Selbsttötung gesetzlich einschränken darf – allerdings nur unter Beachtung der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze.

Viele Grüße

Hans-Peter Meuser

 

Einige der
Zustimmungen zu meiner Intention und dieser Homepage

H.-P. Meuser, Facharzt für Allgemeinmedizin, Langenfeld