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Ärztliche Hilfe zur Selbsttötung -
eine notwendige Diskussion (4)

Autor: Hans-Peter Meuser, Stand 21.04.2021

 

Das Rheinsche Ärzteblatt berichtet in der April-Ausgabe ausführlich über die Diskussion in der Kammerversammlung (Hervorhebung der Redner-Namen durch mich):

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Neben der Corona-Pandemie diskutierte die Kammerversammlung mit der Reform des Medizinstudiums und dem ärztlich assistierten Suizid zentrale Themen, die die Zukunft und das Selbstverständnis des Arztberufs berühren. Insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid und dessen mögliche Folgen für die ärztliche Berufsausübung führten zu einer längeren und eindringlichen Aussprache.

Das Gericht hatte im Februar 2020 das fünf Jahre zuvor vom Deutschen Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung zum Beispiel durch Sterbehilfevereine für verfassungswidrig erklärt. Das „Recht auf selbstbestimmtes Leben“ schließe die Freiheit ein, „sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen“, urteilte das Verfassungsgericht. Es räumte dem Gesetzgeber jedoch Handlungsspielraum ein, um zu verhindern, dass sich der assistierte Suizid in der Gesellschaft als normale Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Der Gesetzgeber „darf einer Entwicklung entgegensteuern, welche die Entstehung sozialer Pressionen befördert, sich unter bestimmten Bedingungen, etwa aus Nützlichkeitserwägungen, das Leben zu nehmen“, entschieden die Karlsruher Richter. 
Für die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein wirft das die Frage auf, ob sie infolge des Urteils ihre Berufsordnung ändern müssen. Denn § 16 verbietet es, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Wörtlich heißt es dort: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Der Passus entspricht dem in der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer, den aber nicht alle Ärztekammern in den Ländern so übernommen haben. Die Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe zum Beispiel formuliert lediglich: „Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“

Kammerpräsident Henke wies darauf hin, dass sich der Deutsche Ärztetag, der im Mai pandemiebedingt verkürzt und virtuell stattfindet, mit den Konsequenzen des Urteils beschäftigen wolle. „Ich persönlich plädiere für sehr gründliche Beratungen in dieser fundamentalen Frage und würde vor einer berufsethischen Entscheidung erst einmal die Beratungen des Gesetzgebers abwarten“, empfahl Henke. Er rechne damit, dass es noch in diesem Frühjahr zu einer Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag komme. Eine gesetzliche Neuregelung erwartet Henke jedoch vor der Bundestagswahl im September 2021 nicht mehr. 

Der Kammerpräsident warb dafür, die Zeit bis dahin zu nutzen und das „verwandte Thema“ der Suizidprävention stärker in den Blick zu nehmen. Einem entsprechenden Beschluss stimmten die Mitglieder der Kammerversammlung mit großer Mehrheit zu. Die rheinischen Ärztinnen und Ärzte fordern darin verbesserte Hilfen für suizidgefährdete Menschen und eine sofortige und umfassende Bestandsaufnahme der bestehenden Unterstützungsprogramme. Den Gesetzgeber forderte die Kammerversammlung auf, Werbung für Suizid oder Suizidbeihilfe zu verbieten.

In der Debatte über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dessen mögliche Folgen forderten sämtliche Redner eine grundlegende Diskussion darüber, ob das Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe aufrechterhalten werden kann und soll. Viele sprachen sich für eine eigene Veranstaltung zum Thema aus, bei der eine breite ärztliche Öffentlichkeit zu Wort kommen solle.

Zu den Befürwortern einer Änderung der Berufsordnung gehört Hans-Peter Meuser, Langenfeld. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts stehe im Gegensatz zu paternalistisch und christlich geprägten Auffassungen, dass der Mensch vor sich selbst geschützt werden müsse und Selbsttötung eine Sünde sei, erklärte Meuser. „Das Berufsrecht hat sich an der Verfassung zu orientieren, nicht an religiösen Vorstellungen“, sagte er. Ohne Frage müsse jeweils eine bestmögliche Suizidprävention angeboten werden, die sicher in einem Großteil der Fälle eine Selbsttötung verhindern könne. Es werde aber immer einige wenige, objektiv ausweglose Fälle geben, in denen den Betroffenen eine Selbsttötung als einziger Ausweg bleibe. „Hier ist es dann besser, dass der behandelnde Arzt, der den Patienten kennt und die Entwicklung des Sterbewunsches über die Zeit verfolgt hat, diese Hilfe leistet, als irgendwelche gewerblichen Anbieter“, erklärte Meuser. Die Ärzteschaft dürfe nicht warten, bis der Bundestag ein neues Gesetz beschlossen habe. Den Rahmen dafür habe das Gericht bereits klar bestimmt. Es habe zugleich betont, dass kein Arzt zur Sterbehilfe gezwungen werden könne. „Das ist richtig so“, bekräftigte Meuser.

Auch Dr. Sven Dreyer, Düsseldorf, sprach sich dafür aus, sich der Debatte um eine Änderung der Berufsordnung zu stellen. „Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen“, sagte er. Aber: Ärztlich assistierter Suizid sei nicht gleichzusetzen mit Euthanasie oder passiver Sterbehilfe. „Das darf man auf keinen Fall vermischen“, sagte Dreyer
Auf die Meinungsvielfalt auch innerhalb der Ärzteschaft zu diesem Thema wies
Dr. Lydia Berendes, Krefeld, hin. „Wir müssen der Debatte breiteren Raum geben und sie wird vielfältig sein“, sagte sie. Sie appellierte an die Kolleginnen und Kollegen, ihren Gestaltungsspielraum zu nutzen und nicht nur zu reagieren. „Ich persönlich möchte nicht irgendwann darüber diskutieren, ob wir eine Zusatzqualifikation ,Ärztlich assistierter Suizid‘ einführen oder einen Erfüllungszwang“, erklärte Berendes

Dr. Ivo Grebe, Aachen, regte neben einer eigenen Veranstaltung der Ärztekammer auch einen Blick über die Grenzen in Nachbarländer an, in denen der Umgang mit dem Thema Sterbehilfe ein anderer ist. „Ich glaube, da können wir gute Informationen bekommen. Wir müssen die Debatte inhaltlich breit führen, damit sich jeder eine Meinung bilden kann“, sagte Grebe

Den Stellenwert der Suizidprävention hob Christa Bartels, Düren, zum Schluss der Debatte noch einmal hervor. Die Zahl der Menschen, die sich in einer ausweglosen Lage befänden, sei doch sehr klein, gab sie zu bedenken. „90 Prozent der Menschen, die einen Suizid begehen, haben ein psychisches Problem. Diese Menschen brauchen keine Sterbehilfe, sondern Unterstützung“, sagte Bartels.

Fundstelle (ab Absatz 11 des mit "Impfwelle" überschriebenen Berichts von der Kammerversammlung, im gedruckten Heft ab Seite 12)

 

Weiter zur Bundestagsdebatte vom 21.4.2021 (und drei Gesetzentwürfen)

 

H.-P. Meuser, Facharzt für Allgemeinmedizin, Langenfeld