Ärztliche Hilfe zur Selbsttötung -
eine notwendige Diskussion (1)
Autor: Hans-Peter Meuser, Stand 21.04.2021
Für die
Kammerversammlung der ÄK Nordrhein am 13. März 2021 hatte ich einen Antrag
vorbereitet, er von Mitgliedern aller drei Fraktionen unterstützt wurde und
nach ausgiebiger Diskussion eine Mehrheit gefunden hat. Auf meiner Homepage
möchte ich Details und Grundüberlegungen darstellen, damit das Thema in
Vorbereitung auf den Deutschen Ärztetag umfassend diskutiert werden kann.
BESCHLUSSVORSCHLAG:
Die
Kammerversammlung begrüßt die Absicht des Vorstands der Bundesärztekammer,
die ärztliche Haltung zum assistierten Suizid nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020
(2 BvR 2347/15) erneut auf dem
Deutschen Ärztetag zum Gegenstand der Beratung zu machen. Die
Kammerversammlung betont, dass eine solche Beratung eine ausreichende Vorbereitung
im Vorfeld und genügend Zeit auf dem Ärztetag erfordert. Notwendig sind
Rahmenbedingen, die für eine eingehende Erörterung dieses sensiblen Themas
durch die Delegierten des Ärztetages geeignet sind.
Die vorab
mit den Mitantragstellern der anderen Fraktionen abgestimmte Begründung
lautete:
Die Beihilfe
zum Suizid gehört unverändert grundsätzlich nicht zu den Aufgaben von Ärztinnen
und Ärzten.
Von diesem
Grundsatz ausgehend sollte über die Konsequenzen aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes eingehend auf dem Deutschen Ärztetag beraten
werden.
Der Deutsche
Ärztetag hat sich zuletzt im Jahr 2011 in einer ausführlichen Debatte mit der
ärztlichen Haltung zum assistierten Suizid befasst. Der damals gefasste
Beschluss steht bis heute im Einklang mit der Haltung des Weltärztebundes und
zur Rechtslage in der weit überwiegenden Mehrheit der Länder Europas.
Durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.2.2020 ist eine neue Situation
entstanden. Der Deutsche Bundestag hat sich noch nicht mit den Konsequenzen
dieses Urteils für die Gesetzgebung befasst.
Mein Anliegen ist Folgendes:
Unbestritten
ist, dass die Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich* keine
ärztliche Aufgabe sein kann, schon gar nicht können Ärzte dazu verpflichtet
werden. Im Gegenteil muss künftig dem Thema Suizidprävention ein breiter Raum
gewidmet werden.
Das BVerfG hat
festgestellt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben die Freiheit
einschließt, sich das Leben zu nehmen. Dies umfasse die Freiheit, sich hierfür
bei Dritten Hilfe zu suchen und diese – soweit sie angeboten wird – in Anspruch
zu nehmen.
Da niemand über
dem Gesetz steht, wird sich die Berufsordnung der Gesetzgebung und
höchstrichterlichen Rechtsprechung anpassen müssen.
Der Satz in der
Berufsordnung „Sie [Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ (§ 16
Satz 3) berücksichtigt nicht die ganz selten in einem ärztlichen Berufsleben
vorkommenden Extremfälle. Hier muss verantwortungsvollen Ärzten die Möglichkeit
gegeben werden, im Ausnahmefall auch Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Es kann
nicht angehen, dass ein Arzt seinen Patienten an eine gewerbsmäßige
Sterbehilfeorganisation verweisen muss, will er einen Verstoß gegen sein
Berufsrecht und die möglichen Ahndungen vermeiden.
* "grundsätzlich" bedeutet juristisch soviel wie "in aller Regel, aber es kann begründete Ausnahmen geben".
Hier ist der in
der Kammerversammlung behandelte Antrag nebst Begründung als PDF-Download.
Weiter zur ergänzenden mündlichen Begründung, die ich während
der Kammerversammlung abgegeben hatte (es gilt das gesprochene Wort).